Aktuelle Rechtsinformationen 02/2017

Kanzleiexemplar © Deubner Verlag Köln

Mindestunterhalt trotz Erwerbsminderung: Nur konkrete Gründe können Eltern von der Pflicht zu Nebenverdiensten befreien

Der Kindesunterhalt für ein minderjähriges Kind setzt sich aus Natural- und Barunterhalt zusammen. Den Naturalunterhalt leistet der Elternteil, bei dem das Kind lebt; er besteht aus der Pflege, Erziehung und Betreuung des Kindes. Den Barunterhalt leistet der andere Elternteil durch Geldzahlungen; seine Höhe richtet sich nach dessen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu bestimmen, ist häufig ein Problem. In einem aktuellen Fall musste sich der Bundesgerichtshof (BGH) damit auseinandersetzen, was gilt, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil eine Rente wegen Erwerbsminderung bezieht.

Das Kind lebte beim Kindesvater. Die 1964 geborene Kindesmutter war wegen einer psychischen Erkrankung zu 70 % schwerbehindert und bezog daher eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die naheliegende Frage, ob nur diese Rente für die Unterhaltsbestimmung herangezogen werden konnte, verneinte das Gericht. Nach der maßgeblichen gesetzlichen Regelung erhält die genannte Rente, wer nicht mindestens drei Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Das bedeutet aber auch, dass damit nicht ausgeschlossen ist, dass eine Erwerbstätigkeit von bis zu drei Stunden noch ausgeübt werden kann. Jeder Elternteil ist verpflichtet, alles zu unternehmen, was ihm möglich ist, um den Mindestunterhalt seines Kindes zu sichern, soweit er Barunterhalt zu leisten hat. Leistet er weniger, muss er darlegen und beweisen, dass und warum er dazu nicht in der Lage ist. Da die Frau hier eben genau keine näheren Angaben hierzu machte, dass und warum sie nicht drei Stunden pro Tag arbeiten und entsprechend im Rahmen eines Minijobs Geld verdienen kann, ging der BGH daher auch von fiktiven Einkünften aus.

Hinweis: Die Entscheidung zeigt, wie streng die Rechtsprechung die Verpflichtung nimmt, Unterhalt für die minderjährigen Kinder zu zahlen. Wer sich dieser Verantwortung entziehen will, muss ganz besonders gute und vor allem plausible Gründe vorbringen.


Quelle: BGH, Beschl. v. 09.11.2016 – XII ZB 227/15
Fundstelle: www.bundesgerichtshof.de
zum Thema: Familienrecht


Nebenjob bei Unterhaltspflicht: Nicht alle Zusatzeinkünfte sind uneingeschränkt beim Kindesunterhalt zu berücksichtigen

Die Höhe zu zahlenden Unterhalts hängt in den meisten Fällen wesentlich von der Höhe des erzielten Einkommens ab. Kommt es dabei allein auf das Einkommen aus dem Hauptarbeitsverhältnis an oder sind auch zusätzliche Nebeneinkünfte zu berücksichtigen? Mit dieser Frage hatte sich betreffend den Kindesunterhalt das Oberlandesgericht Koblenz (OLG) auseinanderzusetzen.

Nach Trennung und Scheidung musste ein Vater für seine beiden Kinder Unterhalt zahlen. Der Unterhalt wurde anhand der Düsseldorfer Tabelle mit 110 % des Mindestunterhalts bestimmt. Grundlage war das Einkommen des Vaters aus seinem Hauptberuf, in dem er mit 39 Stunden pro Woche beschäftigt war. Nun nahm der Vater eine zusätzliche Beschäftigung an. Bei zusätzlicher voller Berücksichtigung der Einkünfte aus dieser Tätigkeit betrug der zu zahlende Unterhalt 120 % des Mindestunterhalts. Den machte die Kindesmutter für ihre Kinder auch prompt geltend.

Das OLG hat das Begehren jedoch zurückgewiesen. Zwei Argumente gaben den Ausschlag:
-Einkünfte aus einer Nebenbeschäftigung sind in jedem Fall heranzuziehen, wenn andernfalls Unterhalt von weniger als 100 % des Mindestunterhalts geschuldet ist.
-Einkünfte aus einer Nebenbeschäftigung sind – sollte der Mindestunterhalt gesichert sein – vollständig zur Unterhaltsbestimmung heranzuziehen, wenn sie schon während intakter Ehe erwirtschaftet wurden.

Im zur Entscheidung anstehenden Fall war der Mindestunterhalt gesichert, da 110 % zu zahlen waren. Die Nebentätigkeit hatte der Mann erst nach der Scheidung begonnen. Also waren die Einkünfte nicht in vollem Umfang heranzuziehen. Der Senat berücksichtigte sie mit 4/5, wodurch es zu keinem Tabellensprung kam und weiterhin nur 110 % der Sätze des Mindestunterhalts zu zahlen waren.

Hinweis: Es besteht die Pflicht, den Mindestunterhalt eines minderjährigen Kindes zu sichern. Gegebenenfalls muss dazu bis zu 48 Stunden pro Woche gearbeitet werden. Wenn also durch das normale Einkommen der Mindestunterhalt nicht gesichert ist, muss der Unterhaltspflichtige deshalb im Rahmen des Möglichen sogar eine Nebenbeschäftigung aufnehmen.

Quelle: OLG Koblenz, Beschl. v. 01.04.2016 – 13 UF 44/16

Fundstelle: www.mjv.rlp.de

zum Thema: Familienrecht


Ein Kind mit dem Neuen: Eine neue verfestigte Lebensgemeinschaft führt zum Wegfall des Ehegattenunterhalts

Betreut ein Ehegatte nach der Trennung ein gemeinsames minderjähriges Kind, das noch keine drei Jahre alt ist, steht ihm Unterhalt zu. Geht dieser Ehegatte jedoch eine neue verfestigte Lebensgemeinschaft ein, kann dieser Anspruch entfallen. Zu den diffizilen Einzelheiten hat das Oberlandesgericht Koblenz Stellung genommen.

Eine getrenntlebende Frau betreute das erst nach der Trennung geborene eheliche Kind. Sie ging eine neue Partnerschaft ein, wurde erneut schwanger und brachte das zweite Kind zur Welt, dessen Vater der neue Partner war. Sie verlangte für sich bis zur Geburt des zweiten Kindes Ehegattenunterhalt. Dieser wurde ihr aber nur zum Teil zugesprochen.

Lebt der Unterhaltsberechtigte in einer neuen verfestigten Lebensgemeinschaft, muss ihm kein Unterhalt mehr gezahlt werden. Ein Indiz für eine solche verfestigte Lebensgemeinschaft sind ein gemeinsamer Hausstand, erhebliche gemeinsame Investitionen zum Erwerb einer Immobilie oder die Geburt eines gemeinsamen Kindes.

Liegt eine neue verfestigte Lebensgemeinschaft vor, ist fraglich, ab wann kein Unterhalt mehr verlangt werden kann. Im Allgemeinen muss die neue Partnerschaft dazu zwei bis drei Jahre bestehen. Bei einer Schwangerschaft ist auch deren Beginn zu berücksichtigen. Im entschiedenen Fall hatte die Frau das Kind eineinhalb Jahre nach der Trennung zur Welt gebracht. Das Gericht ging deshalb von einer verfestigten Lebensgemeinschaft nach Ablauf des Trennungsjahres aus.

Im Unterhaltsrecht ist immer den Belangen des gemeinsamen Kindes Rechnung zu tragen. Dass die Frau das gemeinschaftliche Kind betreute, nahm aber keinen Einfluss auf die Entscheidung des Gerichts. Da die Frau keine gegenteiligen Argumente vorbringen konnte, wurde ihr unterstellt, dass ihr neuer Partner in der Lage war, nennenswert Mittel für den gemeinsamen Haushalt zur Verfügung zu stellen. Damit war die Frau auch unter Beachtung des Umstands ausreichend versorgt, dass sie das gemeinsame Kind aus der Ehe betreut.

Hinweis: Ehegattenunterhalt ist nicht leicht zu bestimmen. Wegen der Einzelheiten ist deshalb immer die anwaltliche Unterstützung ratsam.

Quelle: OLG Koblenz, Beschl. v. 13.04.2016 – 13 UF 16/16

Fundstelle: www.mjv.rlp.de

zum Thema: Familienrecht


Wenn einer bleibt: Über Rechte und Pflichten zur ehemals gemeinsamen Wohnung entscheidet der Mietvertrag

Das Mietverhältnis der Familienwohnung ist in vielerlei Hinsicht besonders, wenn es zu Trennung und Scheidung kommt. Es kommt plötzlich auf Dinge an, die in der „guten Zeit“ keiner bedacht hatte. Einer von vielen derartigen Punkten: die Mietkaution.

Die Ehegatten leben in einer gemieteten Wohnung. Es kommt zu Trennung und Scheidung. Einer der Ehegatten bleibt zunächst noch in der Wohnung, während der andere bereits ausgezogen ist. Später zieht dann auch der andere aus. Wer kann nun die Kaution für sich beanspruchen?

Ganz wesentlich ist der Blick in den Mietvertrag: Wer ist dort als Mieter aufgeführt? Das ist bereits wichtig für die Frage, wer dem Vermieter eine Kündigungserklärung abgeben muss. Denn entscheidend ist, wer formal der Mieter ist. Sind beide Ehegatten als Mieter eingetragen, müssen sie auch gemeinsam kündigen – unabhängig davon, was für einen Rosenkrieg sie anlässlich Trennung und Scheidung führen. Ebenso verhält es sich mit dem Kautionsguthaben: Waren beide Ehegatten Mieter, steht es beiden gemeinsam zu. War dagegen nur ein Ehegatte als Mieter eingetragen, kann dieser die Kaution für sich allein verlangen. Nicht maßgeblich ist, wer die Kaution bezahlt hat. Denn die Zahlung wird als Teil des Unterhalts angesehen.

Hinweis: Oft wird nicht beachtet, dass der Gesetzgeber den Mietern ein Recht eingeräumt hat, für die Zeit nach der Scheidung zu bestimmen, wer von ihnen hinsichtlich der gemeinsam gemieteten Wohnung künftig der alleinige Mieter ist. Teilen sie dem Vermieter übereinstimmend mit, welcher Ehegatte die Wohnung übernimmt, muss der Vermieter dies hinnehmen. Somit kann man Streitereien vermeiden, die sonst Jahre später noch auftreten können, wenn der in der Wohnung verbliebene Mieter schließlich auszieht und der Vermieter Ansprüche anmeldet, mit denen der längst ausgezogene Ehegatte eigentlich nichts zu tun hat, für die er aber dem Vermieter gegenüber einzustehen hat.

Quelle: OLG Köln, Beschl. v. 02.05.2016 – II-25 UF 2/16

zum Thema: Familienrecht


Versprochen ist versprochen? Ein gelöstes Heiratsversprechen kann durchaus zu Schadensersatzforderungen führen

Dass sich Menschen verloben, ist inzwischen seltener geworden. Kommt es ausnahmsweise doch dazu, dass sich Partner die Ehe ausdrücklich versprechen, stellt sich die Frage, was passiert, wenn das Versprechen nicht eingelöst wird.

Zur Klarstellung: Eine Verlobung erfolgt formlos. Es ist kein Gang zum Standesamt erforderlich, es muss auch nichts schriftlich fixiert werden. Verlobt ist also, wer sich mündlich verspricht, die Ehe miteinander eingehen zu wollen. Tritt ein Verlobter vom Verlöbnis zurück, sind dem anderen die Aufwendungen zu ersetzen, die in Erwartung der Ehe eingegangen wurden – zumindest soweit sie angemessen waren. Zu diesen Aufwendungen gehören unter anderem Umzugskosten.

Wie verhält es sich aber mit der Kränkung der Ehre, der Beeinträchtigung der Psyche? Mit der Auflösung des Verlöbnisses muss jeder Mensch in der Regel zurechtkommen. Anderes kann unter besonderen Umständen gelten: Verloben kann sich naturgemäß nur, wer in der Lage ist, zu heiraten. Dazu gehört, dass beide Partner nicht anderweitig ehelich gebunden sind. Das Verlöbnis eines Verheirateten ist deshalb nichtig. Hat er dem anderen die bestehende Ehe verschwiegen, als das Verlöbnis eingegangen wurde, kann die damit verbundene Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durchaus zu einem Schadensersatzanspruch führen. So wurde beispielsweise einer bei Eingehung des Verlöbnisses 77-jährigen Frau ein Betrag von 1.000 EUR zugesprochen, da ihr 89-jähriger Partner noch verheiratet war.

Hinweis: Aus einem Verlöbnis kann aber natürlich nicht auf eine Eheschließung geklagt werden.

Quelle: OLG Oldenburg, Beschl. v. 28.07.2016 – 13 UF 35/16

zum Thema: Familienrecht


Maßregelungsverbot: Kündigung in der Probezeit darf nicht wegen der Betreuung des kranken Kindes erfolgen

Arbeitnehmer dürfen bei einer Erkrankung des eigenen Kindes zu Hause bleiben. Das zeigt auch dieser Fall deutlich.
Bei einer Erkrankung des eigenen Kindes hat ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit. Der Arbeitnehmer des Falls war ein alleinerziehender Vater eines Sohns. Er befand sich noch in der Probezeit. Während der Probezeit musste er seinen Arbeitgeber davon benachrichtigen, dass sein Sohn operiert werden musste. Der Arbeitgeber antwortete darauf, dass dies in Ordnung sei. Der Sohn wurde operiert, die Kinderärzte schrieben ihn krank und attestierten die Erforderlichkeit der Betreuung und Beaufsichtigung durch den Vater. Diese Bescheinigungen legte der Vater seinem Arbeitgeber vor. Trotzdem erhielt er noch während der Krankheitsphase des Kindes die ordentliche fristgerechte Kündigung innerhalb der Probezeit. Das wollte er nicht auf sich sitzen lassen – er klagte gegen die Kündigung.

Das Landesarbeitsgericht war jedoch der Auffassung, dass die Kündigung wirksam war.
Insbesondere hatte der Arbeitgeber nicht gegen das Maßregelungsverbot verstoßen, welches besagt, dass niemand dadurch gemaßregelt werden darf, dass er seine gesetzlichen Rechte in Anspruch nimmt. Die volle Darlegungs- und Beweislast für den Verstoß gegen das Maßregelungsverbot trägt der Arbeitnehmer. Und hier konnte der Arbeitgeber nachweisen, dass die Kündigung deshalb erfolgt ist, weil zu wenig Arbeit vorhanden war.

Hinweis: Dieser Fall hat sich in der Probezeit abgespielt, in aller Regel hat der Arbeitnehmer dann noch keinen Kündigungsschutz. Die rechtliche Überprüfung einer solchen Kündigung ist für Arbeitnehmer aber stets sinnvoll.

Quelle: LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 08.11.2016 – 8 Sa 152/16

zum Thema: Arbeitsrecht


Behördliches Beschäftigungsverbot: Arbeitgeber muss nicht geeigneter Altenpflegehelferin keine Alternativaufgaben anbieten

Wenn ein Arbeitnehmer einer bestimmten Tätigkeit durch eine behördliche Auflage nicht mehr nachgehen darf, kann ihm der Arbeitgeber dann kündigen?

Eine Arbeitnehmerin, die in den Bereichen Pflege und Betreuung tätig war, bekam Probleme: Die Aufsichtsbehörde untersagte dem Arbeitgeber die Beschäftigung der Frau. In dem Bescheid hieß es, dass sich bereits zahlreiche Personen über das Verhalten der Pflegerin gegenüber Bewohnerinnen und Bewohnern beschwert hätten. Die Behörde hatte den Sachverhalt eingehend geprüft und hielt die Arbeitnehmerin für eine pflegerische Tätigkeit nicht geeignet. Als Heimaufsicht verbot sie dem Arbeitgeber unter Strafandrohung, die Altenpflegehelferin mit pflegerischen, sozialen und allgemeinen Betreuungen der Heimbewohner zu beschäftigen. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis personenbedingt. Dagegen klagte die Frau.

Ihre Kündigungsschutzklage wurde allerdings abgewiesen. Das Verbot der Heimaufsicht, die Arbeitnehmerin zu beschäftigen, rechtfertigt regelmäßig eine ordentliche personenbedingte Kündigung. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann es nur geben, wenn es dem Arbeitgeber möglich und zumutbar ist, die Arbeitnehmerin mit anderen Tätigkeiten zu beschäftigen. Umorganisationen sind in der Regel jedoch nur dann zumutbar, wenn sie auf Dauer nicht zu nennenswerten Einbußen in der Arbeitsökonomie und zu Unwirtschaftlichkeit führen. Hier war dem Arbeitgeber eine solche Maßnahme nicht zumutbar – die Kündigung war somit rechtmäßig.

Hinweis: Arbeitnehmer sollten eine solche Kündigung stets prüfen lassen. Jeder Einzelfall liegt anders und der Arbeitgeber muss stets prüfen, ob eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen Arbeitsplatz besteht.
Quelle: LAG Köln , Urt. v. 09.06.2016 – 7 Sa 1008/15

Fundstelle: www.justiz.nrw.de

zum Thema: Arbeitsrecht


Überrumpelung am Arbeitsplatz? Kein Widerrufsrecht bei unterzeichnetem Aufhebungsvertrag

Einmal geschlossene Verträge sind in aller Regel nicht widerrufbar. Große Ausnahmen gibt es nur für Verträge im Internet oder an der eigenen Haustür. Was am Arbeitsplatz gilt, zeigt dieser Fall.

Der Geschäftsführer einer GmbH ging zu einer seiner Angestellten an den Arbeitsplatz und warf ihr einen Arbeitszeitbetrug vor. Diesen Betrug räumte die Arbeitnehmerin auch ein. Der Geschäftsführer legte ihr einen bereits vorgefertigten Aufhebungsvertrag vor, den die Arbeitnehmerin auch unterschrieb. Später fühlte sie sich von dem Vorgang wohl überrumpelt und erklärte die Anfechtung und den Widerruf des Aufhebungsvertrags. Schließlich zog sie vor Gericht und verlangte die Weiterbeschäftigung.
Das Arbeitsgericht urteilte jedoch, dass der Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis beendet hatte. Ein Anfechtungsgrund lag nicht vor, da ein verständiger Arbeitgeber wegen des Arbeitszeitbetrugs sogar eine fristlose Kündigung hätte in Betracht ziehen können. Widerrufen konnte die Angestellte den Aufhebungsvertrag ebenfalls nicht. Widerrufen kann man nur Geschäfte, die im Internet abgeschlossen werden, oder sogenannte Haustürgeschäfte. Derartige Geschäfte lagen aber hier nicht vor, da der Arbeitsplatz nicht als Geschäftsraum im Sinne des Gesetzes anzusehen ist.

Hinweis: Arbeitnehmer sollten stets Rechtsrat einholen, bevor sie einen Aufhebungsvertrag unterschreiben. Ist der Vertrag erst einmal unterschrieben, wird es in jedem Fall schwierig – wenn nicht gar unmöglich -, davon wieder loszukommen.

Quelle: ArbG Solingen, Urt. v. 03.11.2016 – 3 Ca 1177/16

Fundstelle: www.justiz.nrw.de

zum Thema: Arbeitsrecht


Kehrtwende im Urlaubsrecht? Aus der Pflicht der Urlaubsbeantragung könnte bald eine Plicht zur Urlaubsgewährung werden

Entscheidet der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf diesen Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hin zugunsten der Arbeitnehmer, wird es für Arbeitgeber richtig teuer.
Ein Arbeitnehmer war 13 Jahre lang durch mehrere befristete Arbeitsverträge bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Zum 31.12.2013 sollte dieses Arbeitsverhältnis enden. Im Oktober 2013 forderte der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer auf, den Urlaub noch vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu nehmen. Der Mann nahm jedoch nur zwei Tage Urlaub und verlangte kurz vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Abgeltung von 51 nicht genommenen Urlaubstagen. Als er das Geld nicht erhielt, klagte er.

Das BAG setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die Sache zur Vorabentscheidung vor. Das BAG möchte wissen, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, von sich aus einseitig und für den Arbeitnehmer verbindlich die zeitliche Lage des Urlaubs festzulegen. Ist das der Fall, wäre der Arbeitgeber verpflichtet, von sich aus den Urlaub zu gewähren. Dann würde der Mann seine Klage gewinnen. Das Urteil des EuGH bleibt also mit Spannung abzuwarten.

Hinweis: Das deutsche Recht sieht bislang keine Verpflichtung des Arbeitgebers vor, Arbeitnehmern von sich aus Urlaub zu gewähren. Ohne Antrag eines Arbeitnehmers auf Urlaub verfällt der Urlaub eben. Das könnte sich künftig ändern.

Quelle: BAG, Beschl. v. 13.12.2016 – 9 AZR 541/15 (A)

Fundstelle: www.bundesarbeitsgericht.de

zum Thema: Arbeitsrecht


Keine Einbindung, klare Weisungsregeln: Wie Arbeitgeber mit Werkverträgen das Mitspracherecht des Betriebsrats aushebeln

Wie einfach ein Arbeitgeber die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats umgehen kann, zeigt dieser Fall.

Ein Arbeitgeber schloss mit einem portugiesischen Unternehmen einen Werkvertrag über Wochenendarbeitszeiten. Dieses ließ sodann seine portugiesischen Arbeitnehmer in Deutschland arbeiten. Die Arbeitnehmer produzierten bestimmte Teile auf dem Betriebsgelände der eigentlichen Arbeitgeberin außerhalb der üblichen Öffnungszeiten. Dabei wurden sie von Führungskräften des portugiesischen Werkunternehmers angeleitet.

Der Betriebsrat des deutschen Unternehmens meinte nun, dass er bei dieser Vereinbarung zu beteiligen gewesen wäre, und zog vor das Arbeitsgericht. Die Richter konnten jedoch nicht feststellen, dass die Arbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des deutschen Arbeitgebers eingegliedert worden waren. Auch Weisungen erhielten sie nur von ihrem portugiesischen Arbeitgeber. Zudem konnte das Gericht keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür feststellen, dass die Arbeitgeberin durch die hier gewählte werkvertragliche Lösung das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in unzulässiger Weise umgangen hatte. Somit waren keine Rechte des Betriebsrats verletzt worden.

Hinweis: In diesem Fall hat der Arbeitgeber – zumindest aus seiner Sicht – alles richtig gemacht. Er musste trotz der Beschäftigung neuer Arbeitskräfte seinen Betriebsrat nicht beteiligen. Ob das allerdings zu einer konstruktiven Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat führt, scheint fraglich.

Quelle: LAG Hamm, Beschl. v. 14.10.2016 – 13 TaBVGa 8/16

Fundstelle: www.justiz.nrw.de

zum Thema: Arbeitsrecht


In-Ear im Auto: Die Nutzung eines Headsets stellt keinen Handy-Verstoß dar

Die Benutzung eines In-Ear-Headsets ist nicht mit der Aufnahme oder dem Halten des Hörers eines Autotelefons gleichzusetzen, weil das Headset grundsätzlich nicht mit der Hand gehalten werden muss, sondern durch eine Halterung am Kopf des Fahrers befestigt ist.

Ein Pkw-Fahrer wurde zu einer Geldbuße von 40 EUR wegen einer verbotswidrigen Benutzung des Mobil- oder Autotelefons verurteilt. Der Fahrer hatte per Druck auf einen entsprechenden Knopf seines Headsets ein Telefongespräch angenommen und es zum Telefonieren mit der Hand ans Ohr gehalten, da dessen Halterung defekt war.

Das Oberlandesgericht Hamm (OLG) hat den Betroffenen von dem Vorwurf des unzulässigen Benutzens eines Mobil- oder Autotelefons freigesprochen. Die Benutzung eines In-Ear-Headsets ist nicht mit der Aufnahme oder dem Halten des Hörers eines Autotelefons gleichzusetzen, weil dieses Headset grundsätzlich nicht mit der Hand gehalten werden muss, sondern am Kopf des Fahrers befestigt ist. Der Umstand, dass im vorliegenden Fall die Halterung des Headsets defekt war, ändert an der grundsätzlich andersartigen Funktionsweise nichts. Hätte der Gesetzgeber auch das Benutzen eines In-Ear-Headsets unter Strafe stellen wollen, hätte er dies in dem entsprechenden Gesetzestext so auch zum Ausdruck bringen müssen.

Hinweis: Ob die Benutzung eines In-Ear-Headsets bußgeldrechtlich zu ahnden ist, ist obergerichtlich bisher noch nicht entschieden worden, so dass der Beschluss des OLG richtungsweisend ist. Das Gericht hat sich am Gesetzestext orientiert. Zu bedenken ist insbesondere auch, dass es für Kraftfahrzeugführer noch zahlreiche andere Ablenkungen gibt, die nicht bußgeldbewehrt sind, wie etwa die Benutzung des Autoradios oder eines GPS-Geräts.

Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 07.07.2016 – III-1 RBs 109/15

zum Thema: Verkehrsrecht


Lange Lieferdauer: Versicherer muss einen Nutzungsausfall in besonderen Fällen auch für 97 Tage zahlen

Maßgeblich für die Dauer des Nutzungsausfalls ist die Dauer der Durchführung einer fach- und sachgerechten Reparatur. Dabei ist zum Beispiel auch die Lieferzeit für notwendige Kopfstützen einzurechnen.

Bei einem Verkehrsunfall wurde ein Pkw beschädigt. Am Tag nach dem Unfall beauftragte der Geschädigte einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens, das ihm acht Tage nach dem Unfall zuging. Weitere drei Tage später entschloss er sich, das Fahrzeug reparieren zu lassen. Im Rahmen der Reparaturarbeiten stellte sich heraus, dass neue Kopfstützen eingebaut werden mussten. Aus diesem Grund konnte die Reparatur erst drei Monate nach dem Unfall abgeschlossen werden. Der Geschädigte machte gegenüber der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners daher einen Nutzungsausfall für insgesamt 97 Tage geltend.

Das Amtsgericht Würzburg verurteilte die unwillige Versicherung zur Zahlung der geforderten Entschädigung. Der lange Zeitraum setzt sich aus der Zeit für die Erstellung des Gutachtens, der Zeit für die Überlegungsfrist und der für die Reparatur zusammen. Im Rahmen der vom Gericht durchgeführten Beweisaufnahme ergab sich, dass die Kopfstützen im Fahrzeug des Geschädigten tatsächlich ausgetauscht werden mussten. Die Werkstatt hat sich auch zeitnah um die Bestellung der Kopfstützen gekümmert. Dass die Lieferung dieser Kopfstützen so lange gedauert hat, geht nicht zu Lasten des Geschädigten. Zwar muss sich der Geschädigte bei der Auftragserteilung von einer ordnungsgemäßen und zügigen Durchführung der Reparatur leiten lassen. Es muss aber auch berücksichtigt werden, dass seinen Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten bei der Schadensregulierung naturgemäß Grenzen gesetzt sind, sobald er den Reparaturauftrag erteilt und das Unfallfahrzeug in die Hände von Fachleuten übergeben hat.

Hinweis: Bei der Dauer des Zeitraums, für den der Nutzungsausfall zu zahlen ist, sind der Schadensermittlungszeitraum, ein Überlegungszeitraum sowie die Reparaturdauer zu berücksichtigen. Verzögert sich die Reparatur, geht dies nicht zu Lasten des Geschädigten, da nicht er, sondern der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung das Werkstattrisiko trägt.

Quelle: AG Würzburg, Urt. v. 01.09.2016 – 34 C 788/16

zum Thema: Verkehrsrecht


Prognoserisiko: Versicherer muss entstandene Kosten bei Reparaturabbruch nach Fehlprognose begleichen

Erteilt der Geschädigte aufgrund eines Sachverständigengutachtens einen Reparaturauftrag und stellt sich dieses Gutachten im Nachhinein insoweit als fehlerhaft heraus, als dass die Reparaturkosten tatsächlich über 130 % des Wiederbeschaffungswerts liegen, sind die Reparaturkosten für bereits durchgeführte Arbeiten zu erstatten.

Bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall wurde der Pkw des Geschädigten erheblich beschädigt. Ein Gutachter ermittelte die Reparaturkosten mit etwa 4.100 EUR, den Wiederbeschaffungswert mit 6.900 EUR und den Restwert mit 3.300 EUR. Der Geschädigte ließ daraufhin sein Fahrzeug reparieren. Nachdem mit der Reparatur begonnen worden war, stellten Mitarbeiter der Werkstatt fest, dass der gesamte Querträger des Fahrzeugs ausgewechselt werden müsse und sich die Reparaturkosten auf ca. 9.700 EUR beliefen. Da diese somit inzwischen mehr als 130 % über dem Wiederbeschaffungswert lagen, sah der Geschädigte von einer weiteren Reparatur ab und ließ sich von der gegnerischen Haftpflichtversicherung die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert auszahlen. Diese verweigerte allerdings die Übernahme der Kosten für die bereits durchgeführten Reparaturarbeiten in Höhe von 391 EUR.

Das Amtsgericht Schwarzenbek verurteilte die Versicherung zur Zahlung der 391 EUR. Das Gericht führt aus, dass es nicht zu Lasten des Geschädigten gehen könne, dass sich erst im Laufe der Reparatur herausstellt, dass weitere – vom Sachverständigen zunächst übersehene – Reparaturarbeiten notwendig sind.

Hinweis: Mit dieser Verfahrensweise hatte die Versicherung sogar noch Glück: Der Geschädigte hätte hier sogar einen Anspruch darauf gehabt, dass die Reparatur vollständig durchgeführt wird. Die Versicherung hätte somit dann die vollen Reparaturkosten in Höhe von 9.700 EUR zahlen müssen, da sich das insofern verwirklichte Prognoserisiko nicht zu Lasten des Geschädigten auswirken darf.

Quelle: AG Schwarzenbek, Urt. v. 20.05.2016 – 2 C 675/15

zum Thema: Verkehrsrecht


Streckenlänge und Abstandsmaß: Geschwindigkeitsmessung durch Hinterherfahren ist strengen Voraussetzungen unterworfen

Eine zuverlässige Ermittlung der Geschwindigkeit eines Fahrzeugs kommt in der Regel nur in Betracht, wenn der Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen nicht zu groß ist – was einem Abstand des halben bis max. ganzen Tachowerts entspricht – und die Messstrecke ausreichend lang ist (worunter als Richtwert das Fünffache des Tachowerts, zumindest aber 500 m zu verstehen sind).

Einem Autofahrer wurde vorgeworfen, außerhalb geschlossener Ortschaften die zulässige Geschwindigkeit um 44 km/h überschritten zu haben. Hierbei berücksichtigte die Behörde schon eine Toleranz von 20 %. Die Geschwindigkeitsübertretung wurde durch ein nachfolgendes Polizeifahrzeug ermittelt. Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen zu einer Geldbuße von 185 EUR und einem einmonatigen Fahrverbot.

Das Oberlandesgericht Koblenz hob das Urteil wieder auf und verwies die Angelegenheit an das Amtsgericht zurück. Zwar könne dem amtsgerichtlichen Urteil entnommen werden, dass eine Messstrecke von 1.500 m beachtet wurde. Es sei jedoch aus dem Urteil nicht ersichtlich, welcher Abstand zwischen dem Fahrzeug des Betroffenen und dem Polizeifahrzeug zum Zeitpunkt des Ablesens der Geschwindigkeit von 180 km/h bestand. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hat der Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen zu Beginn der Nachfahrstrecke ca. 180 m betragen. Der Betroffene hat sein Fahrzeug allerdings stark beschleunigt, so dass er sich trotz maximaler Beschleunigung des Polizeifahrzeugs von diesem stetig absetzen konnte. Als der Betroffene am Ende der 1.500 m langen Strecke abgebremst hat, ist auf dem Polizeifahrzeug eine Geschwindigkeit von 180 km/h abgelesen worden. Um von der Geschwindigkeit eines Fahrzeugs auf die eines anderen schließen zu können, ist aber eine möglichst gleiche Geschwindigkeit beider Fahrzeuge erforderlich. Da sich das Polizeifahrzeug somit zum Zeitpunkt der Messung in einer Beschleunigungsphase befand, während der Wagen des Betroffenen abgebremst wurde, spricht vieles dafür, dass die gemessene Geschwindigkeit des Streifenwagens nicht derjenigen des Betroffenen entsprach.

Hinweis: In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Feststellung der Geschwindigkeit eines Kraftfahrzeugs durch Vergleich mit der Geschwindigkeit eines nachfahrenden Polizeifahrzeugs grundsätzlich eine genügende Beweisgrundlage für die Annahme einer Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit sein kann. Wie die Entscheidung zeigt, ist dies aber nur möglich, wenn bekannt ist, welche Länge die Messstrecke aufwies, welcher Abstand eingehalten wurde und in welchem Maße sich dieser auf der Messstrecke höchstens verringert hat.

Quelle: OLG Koblenz, Beschl. v. 27.01.2016 – 1 Owi 4 SsBs 1/16
zum Thema: Verkehrsrecht


Mangelndes Erziehungsbedürfnis: Einsichtiger Ersttäter darf nicht zum Verkehrsunterricht verpflichtet werden

Ordnet eine Führerscheinstelle die Teilnahme an einem Verkehrsunterricht an, hat sie ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt, wenn keinerlei Anhaltspunkte vorhanden und von ihr aufgezeigt sind, dass bei dem Betroffenen ein Erziehungsbedürfnis besteht.

Wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung erhielt ein Verkehrsteilnehmer einen Bußgeldbescheid, der neben der Geldbuße auch ein Fahrverbot auswies. Dieser Bescheid wurde von dem Betroffenen akzeptiert. Die Führerscheinstelle sprach allerdings nach Rechtskraft des Bußgeldbescheids die Anordnung der Teilnahme an einem Verkehrsunterricht gegenüber dem Betroffenen aus.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder entschied, dass die Anordnung zur Teilnahme am Verkehrsunterricht rechtswidrig war. Bei dem Betroffenen habe es sich um einen Ersttäter gehalten, der den gegen ihn erlassenen Bußgeldbescheid ohne Weiteres akzeptiert hatte. Zu berücksichtigen ist zwar, dass auch die Ahndung der Verkehrsverstöße nach den Bestimmungen des Ordnungswidrigkeitengesetzes einen erzieherischen Zweck haben soll; die Anordnung der Teilnahme wird von der zuständigen Behörde aber fehlerhaft ausgeübt, sobald keine Anhaltspunkte vorhanden oder von der Behörde aufgezeigt sind, dass ein solches Erziehungsbedürfnis besteht. Vorliegend war der Betroffene erstmalig im Straßenverkehr auffällig geworden. Er zeigte sich auch dadurch einsichtig, indem er den erlassenen Bußgeldbescheid akzeptiert hatte. Eine weitergehende verkehrserzieherische Maßnahme war daher nicht geboten.

Hinweis: Wie die Entscheidung zeigt, ist die Anordnung zur Teilnahme an einem Verkehrsunterricht bei Ersttätern in der Regel rechtswidrig. Anders verhält es sich bei Wiederholungstätern, weil die Wiederholungstat zeigt, dass der Denkanstoß durch die behördliche Ahndung seiner Tat für einen Lerneffekt nicht ausreichend war und insofern erzieherische Aufgaben eingesetzt werden müssen.

Quelle: VG Frankfurt/Oder, Urt. v. 26.07.2016 – VG 2 K 1534/15

zum Thema: Verkehrsrecht


„Bis zum dritten Werktag“: Die Anweisung, nicht der Eingang der Miete entscheidet über fristgerechte Zahlung

In aller Regel muss der Mieter bis zum dritten Werktag eines Monats seine Miete gezahlt haben. Was bedeutet das aber genau? Muss das Geld am dritten Werktag auf dem Konto des Vermieters sein? Nach dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) wohl nicht.

Das Gesetz bestimmt, dass die Miete spätestens bis zum dritten Werktag des Monats zu zahlen ist. In einem Fall vor dem BGH hatten die Parteien im Mietvertrag Folgendes vereinbart: „Die Gesamtmiete ist monatlich im Voraus, spätestens am dritten Werktag des Monats an den Vermieter auf dessen Konto zu zahlen. Für die Rechtzeitigkeit der Zahlung kommt es nicht auf die Absendung, sondern auf den Eingang des Geldes an.“ Dann kam es, wie es kommen musste: Die Miete kam in mehreren Monaten erst nach Ablauf des dritten Werktags beim Vermieter an. Dieser kündigte daraufhin das Mietverhältnis wegen verspäteter Mietzahlungen fristlos – hilfsweise fristgerecht – und erhob eine Räumungsklage.

Die Klage verlor er in allen Instanzen. Laut Gesetz ist die Miete zu Beginn, spätestens bis zum dritten Werktag der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten, nach denen sie bemessen ist. Dem entspricht auch der Mietvertrag, wonach die Miete spätestens am dritten Werktag des Monats an den Vermieter zu zahlen ist. Insoweit genügt es für die Rechtzeitigkeit der Mietzahlung, dass der Mieter seinem Geldinstitut den Zahlungsauftrag für die Überweisung bis zum dritten Werktag des Monats erteilt und das Konto des Mieters ausreichend gedeckt ist. Eine unpünktliche Zahlung des Mieters lässt sich auch nicht aus dem Mietvertrag herleiten, wonach es für die Rechtzeitigkeit der Zahlung nicht auf die Absendung, sondern auf den Eingang des Geldes ankommt. Denn diese Formularklausel ist wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters unwirksam.

Hinweis: Es kommt also für die Rechtzeitigkeit der Mietzahlung bei Überweisungen nicht darauf an, dass die Miete bis zum dritten Werktag des vereinbarten Zeitabschnitts auf dem Konto des Vermieters eingegangen, sondern bis dahin in die Wege geleitet worden ist.

Quelle: BGH, Urt. v. 05.10.2016 – VIII ZR 222/15

Fundstelle: www.bundesgerichtshof.de
zum Thema:Mietrecht


Schaden bei Hausdurchsuchung: Mieter muss nicht für Schäden aufkommen, die dem Polizeieinsatz anzulasten sind

Haftet der Mieter für einen Schaden nach einem Polizeieinsatz, den er selbst verursacht hat?

Auf Grundlage eines richterlichen Beschlusses war die Wohnung eines Mieters durchsucht worden. Bei dieser Durchsuchung wurden 26 g Marihuana gefunden und sichergestellt. Für die beim Einsatz beschädigte Wohnungstür verlangte der Vermieter nun die Reparaturkosten vom Mieter ersetzt – und klagte die Kosten ein.

Das Gericht stellte sich aber auf die Seite des Mieters und entschied, dass dieser nicht zahlen muss. Zwar muss nach allgemeiner Lebenserfahrung derjenige, der seine Wohnung als Aufbewahrungsort für illegale Betäubungsmittel nutzt oder zur Verfügung stellt, damit rechnen, dass es aufgrund von Durchsuchungen zu Schäden an der Wohnung kommen kann – haften muss er dafür jedoch nicht in jedem Fall. Entscheidend ist nämlich der Kausalzusammenhang; und dieser fehlte hier. Denn auch, wenn der Mieter den Einsatz selbst zu verantworten hatte, die Tür wurde von der Polizei beschädigt. Also kann der Schaden dem Mieter nicht zugerechnet werden – und damit war eine Ersatzpflicht ausgeschlossen.

Hinweis: Findet in einer Wohnung eine berechtigte Hausdurchsuchung statt und werden dabei Schäden verursacht, haftet der Mieter dafür also nicht.
Quelle: BGH, Urt. v. 14.12.2016 – VIII ZR 49/16

Fundstelle: www.bundesgerichtshof.de

zum Thema: Mietrecht


Eigenbedarf einer GbR: Unterbliebenes Angebot einer Alternativwohnung führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung

Auch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) kann im Mietrecht eine Eigenbedarfskündigung aussprechen.
Vier Personen hatten eine GbR gegründet und ein Haus mit mehreren Wohnungen gekauft. Vor mehr als 20 Jahren begann die GbR mit der Sanierung des kompletten Anwesens und der Aufteilung der Wohnungen. Eine der Wohnungen war bis zuletzt nicht saniert worden. Den Mietern dieser Wohnung kündigte die GbR das Mietverhältnis und begründete diese Kündigung mit dem Eigenbedarf der Tochter eines der vier Gesellschafter. Als die Mieter nicht auszogen, erhob die GbR eine Räumungsklage. Schließlich musste der Bundesgerichtshof entscheiden.

Die Richter urteilten, dass auch eine GbR einen Eigenbedarfsgrund einer ihrer Gesellschafter oder dessen Angehöriger geltend machen kann. Dabei hat ein Vermieter grundsätzlich die Pflicht, den Mietern freie Wohnungen im Objekt anzubieten. Unterlässt er dies, führt das allerdings nicht zur Unwirksamkeit der Eigenbedarfskündigung: Der Mieter kann diesbezüglich allenfalls Schadensersatzansprüche geltend machen. Im Ergebnis hatte die Räumungsklage also Erfolg – die Mieter mussten ausziehen.

Hinweis: Das sollte Vermieter nicht zu unberechtigten Eigenbedarfskündigungen verleiten. Denn die Rechtsfolgen könnten später gravierend sein. Vorgeschobene Eigenbedarfsgründe können zu erheblichen Schadensersatzansprüchen führen.

Quelle: BGH, Urt. v. 14.12.2016 – VIII ZR 232/15

Fundstelle: www.bundesgerichtshof.de

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Makler- und Verwaltertätigkeit? Wohnungseigentümergemeinschaft und Vermieter stellen verschiedene Auftraggeber dar

Hier kommt wieder ein neuer Fall zu Streitigkeiten zum Maklerlohn. Im Jahr 2013 war es noch so, dass der Mieter für die Vermittlung einer Wohnung die fällige Provision zahlen musste.

Eine Gesellschaft hatte Mietern im Jahr 2013 eine Wohnung vermittelt. Dafür erhielt sie eine Provision von zwei Monatsmieten. Beim Abschluss des Vertrags wurde der Vermieter durch diese Gesellschaft vertreten. Dasselbe Unternehmen war zudem vorher noch zum Verwalter der Wohnungseigentümergesellschaft bestellt worden. Dementsprechend erstellte es auch die Nebenkostenabrechnungen.

Als in der Wohnung Mängel auftraten, kam es zum Streit. Schließlich forderten die Mieter die Gesellschaft auf, die Provision zurückzuzahlen. Sie sei tatsächlich als Verwalterin tätig geworden und hätte deshalb gar keine Provision verlangen dürfen. Das Amtsgericht wies die Klage jedoch ab. Die Gesellschaft hatte als Maklerin auf Zahlung der Provision einen Anspruch aus dem geschlossenen Maklervertrag. Der Anspruch war auch deshalb gegeben, da der Makler nicht für den Vermieter tätig geworden war, sondern lediglich als Verwalter der Wohnungseigentümergesellschaft entsprechende Tätigkeiten ausgeführt hatte.

Hinweis: Der Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft wird selbst dann nicht zum Verwalter der Wohnräume, wenn er gelegentlich untergeordnete Nebentätigkeiten und Gefälligkeiten für einen Wohnungseigentümer ausführt.

Quelle: AG Münster, Urt. v. 24.10.2016 – 6 C 2745/16

Fundstelle: www.justiz.nrw.de

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Behinderung eines Eigentümers: Wohnungseigentümergesellschaft muss nicht alle Baumaßnahmen dulden

Gravierende bauliche Veränderungen einer Wohnungseigentumsanlage müssen gemeinschaftlich beschlossen werden.

Der Eigentümer einer im fünften Stock liegenden Wohnung pflegte mit seiner Ehefrau die gemeinsame, zu 100 % schwerbehinderte Enkeltochter. Einen Aufzug gab es in dem Haus nicht. Deshalb stellte er in einer Eigentümerversammlung den Antrag, in dem offenen Schacht in der Mitte des Treppenhauses auf eigene Kosten einen geräuscharmen Personenaufzug bauen zu dürfen. Als dieser Antrag abgelehnt wurde, klagte er gegen die Wohnungseigentümergesellschaft – jedoch vergeblich.

Der Mann darf die Baumaßnahmen nicht ohne Zustimmung der übrigen Eigentümer durchführen. Für die Frage, ob eine Zustimmung erforderlich ist, kommt es entscheidend darauf an, ob für die anderen Wohnungseigentümer ein Nachteil entsteht, der „über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht“. Und solche Nachteile hat das Gericht in diesem Fall angenommen.

Grundsätzlich werden die anderen Wohnungseigentümer den Einbau eines Treppenlifts und einer Rollstuhlrampe dulden müssen. Anders sieht das aber bei dem Einbau eines Personenaufzugs aus. Denn der Einbau ist nur mit einem erheblichen Eingriff in die Substanz des Gebäudes durchführbar. Außerdem würden die anderen Eigentümer von dem Gebrauch eines Teils des gemeinschaftlichen Treppenhauses ausgeschlossen; der für den Einbau des Fahrstuhls vorgesehene Schacht wurde bislang zum Abstellen von Fahrrädern und Kinderwagen genutzt. Zudem sei dieser Platz erforderlich, um sperrige Gegenstände durch das Treppenhaus zu transportieren. Der Mann hätte außerdem bereits bei Einzug wissen müssen, dass solche Probleme auf ihn zukommen können.

Hinweis: Die Rechtslage dürfte anders aussehen, wenn es beispielsweise um eine Rampe geht, die vor einem Haus installiert werden muss. Ein behinderter Eigentümer dürfte dann einen Anspruch auf die Duldung einer Installation haben. Bezahlen müsste er sie aber stets selbst.

Quelle: BGH, Urt. v. 13.01.2017 – V ZR 96/16

Fundstelle: www.bundesgerichtshof.de

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Sittenwidriger Erbverzicht: Unzulässige Beeinflussung des 18-jährigen Sohns führt zur Nichtigkeit des Vertrags

Immer wieder versuchen Eltern, ihre Kinder durch die Aussicht auf eine Erbschaft dazu zu bewegen, deren Leben in einer Art und Weise zu gestalten, die lediglich ihren eigenen Vorstellungen entspricht. Das kann jedoch sittenwidrig sein.

Ein Vater ging wenige Tage nach dem 18. Geburtstag seines Sohns mit diesem zu einem Notar, bei dem sie einen notariell beurkundeten, umfassenden Erb- und Pflichtteilsverzicht des Sohns vereinbarten. Zur Abfindung sollte der Sohn nach seinem 25. Geburtstag einen von ihm begehrten Sportwagen im Wert von ca. 100.000 EUR erhalten – allerdings nur, sofern er bis dahin seine Ausbildung mit sehr gutem Ergebnis abgeschlossen haben sollte. Schon kurze Zeit später bereute der Sohn diesen Erbverzicht und ging gerichtlich dagegen vor.

Das Gericht entschied, dass die Vereinbarung sittenwidrig war. Es wies darauf hin, dass darin ein deutliches Ungleichgewicht zu Lasten des Sohns besteht. Auf der einen Seite wurde ein umfassender Erbverzicht mit sofortiger Wirkung vereinbart, wofür der Sohn auf der anderen Seite nur unter dem Vorbehalt der Erfüllung mehrerer Bedingungen eine Gegenleistung erhalten sollte. Bei Nichterfüllung nur einer der Bedingungen erhielte der Vater den Erbverzicht somit kostenlos. Das Gericht kritisierte zudem, dass die Vorgabe, eine bestimmte Ausbildung zu absolvieren, den Sohn in zu missbilligender Weise in der Wahl seines beruflichen Werdegangs einschränkt und damit unzulässig in die Persönlichkeitsrechte des noch jugendlichen Mannes eingreift. Schließlich bemängelte das Gericht noch, dass der Vater die jugendliche Unerfahrenheit seines Sohns und die Begeisterung für den Sportwagen ausgenutzt hatte, da er bewusst den Eintritt der Volljährigkeit seines Sohns für die Vereinbarung des Erbverzichts abgewartet hatte. Damit war die Vereinbarung nichtig – und der Sohn hatte weiterhin seinen Pflichtteilsanspruch.

Hinweis: Ein Erbverzicht kann grundsätzlich auch ohne eine Abfindung als Gegenleistung vereinbart werden. Der Verzichtende darf jedoch in seiner Entscheidung nicht unzulässig beeinflusst werden. Wie jeder andere Vertrag auch, kann der Erbverzichtsvertrag wegen Irrtums, Täuschung oder Drohung angefochten werden oder sittenwidrig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Erblasser eine Zwangslage oder die Unerfahrenheit des Verzichtenden ausnutzt und die Abfindung in einem krassen Missverhältnis zum Verzicht steht. Eine Anfechtung des Erbverzichtsvertrags ist jedoch nur zu Lebzeiten des Erblassers möglich.

Quelle: OLG Hamm, Urt. v. 08.11.2016 – 10 U 36/15

Fundstelle: www.justiz.nrw.de

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Ex und hopp: Zweite Ehefrau kann das Testament aus erster Ehe anfechten

War ein Erblasser mehrfach verheiratet, liegen häufig mehrere Testamente vor und es kommt immer
wieder zum Streit darüber, welcher Ehepartner erbberechtigt ist.
Ein Mann hatte mit seiner ersten Ehefrau im Jahr 2003 ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sich die Eheleute wechselseitig zum alleinigen Erben des Erstversterbenden einsetzten. Sie vereinbarten zudem, dass das Testament auch im Fall der Scheidung gelten sollte.

Nachdem die Ehe geschieden wurde, heiratete der Mann seine zweite Frau und errichtete mit ihr ein notarielles Testament, in dem er auch seine früheren letztwilligen Verfügungen widerrief. Nach dem Tod des Mannes stritten die beiden Ehefrauen darüber, ob das Testament aus dem Jahr 2003 noch wirksam war. Die zweite Ehefrau wollte es anfechten, da sie als Pflichtteilsberechtigte übergangen worden war.

Das Gericht entschied, dass die zweite Ehefrau das Testament aus dem Jahr 2003 wirksam angefochten hatte und die erste Ehefrau somit nicht Erbin geworden war. Zwar wurde das Testament weder durch die Scheidung noch durch den Widerruf unwirksam, denn die Fortgeltung auch im Scheidungsfall war ausdrücklich vereinbart und der Widerruf hätte der ersten Ehefrau gegenüber erklärt werden müssen. Die zweite Ehefrau hatte jedoch als Pflichtteilsberechtigte ein Anfechtungsrecht, da das Gesetz davon ausgeht, dass ein Erblasser einen Pflichtteilsberechtigten nicht bewusst übergeht. Dieses Recht ist nur ausgeschlossen, wenn davon auszugehen ist, dass der Erblasser die Verfügung genau so getroffen hätte, auch wenn er von dem weiteren Pflichtteilsberechtigten gewusst hätte. Der Erblasser hatte jedoch im Jahr 2003 nicht gewusst, dass er nochmals heiraten wird. Er hatte zwar geregelt, dass das erste Testament auch nach einer Scheidung weiterhin gelten soll – das bedeutet aber nicht zwingend, dass es auch nach einer Wiederverheiratung gültig sein sollte. Dies beweist auch die Errichtung des späteren notariellen Testaments mit der zweiten Ehefrau.

Hinweis: Im Fall einer Wiederverheiratung sollte immer genau geprüft werden, ob und welche letztwilligen Verfügungen auch nach der Scheidung noch Bestand haben sollen. Zwar gibt es eine gesetzliche Vermutung, dass während der Ehe errichtete letztwillige Verfügungen ihre Wirksamkeit verlieren, jedoch kann diese Vermutung auch widerlegt werden. Daher ist es empfehlenswert, insoweit eine klare Regelung zu treffen und bestehende Vereinbarungen zu widerrufen. Bezüglich der Form und des genauen Ablaufs des Widerrufs sollte man gegebenenfalls rechtlichen Rat einholen.

Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 28.10.2014 – I-15 W 14/14
Fundstelle: www.justiz.nrw.de
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Trotz Geschäftsunfähigkeit: Nicht jede schwerwiegende geistige Erkrankung macht automatisch testtierunfähig

Entspricht ein Testament nicht den Vorstellungen der Erben, greifen sie dieses häufig mit dem Argument an, dass der Erblasser nicht testierfähig gewesen und die letztwillige Verfügung damit unwirksam sei.

Ein Mann hatte in einem notariellen Testament seine damalige Betreuerin und spätere Ehefrau zur Alleinerbin eingesetzt – mit der Auflage, eine selbständige oder unselbständige Stiftung zu errichten, deren Zweck die Förderung der Kinder- und Jugendhilfe sein sollte. Da der Mann vor seinem Tod bereits mehrere Jahre unter Betreuung gestanden hatte und mehrere Gutachten vorlagen, die ihn als nicht voll geschäftsfähig einstuften, weigerte sich das Grundbuchamt, die dem Erblasser gehörenden Grundstücke auf die Erbin umzuschreiben.

Das Gericht musste nun entscheiden, ob der Mann testierfähig und das Testament somit wirksam war. Es führte aus, dass eine schwerwiegende geistige Erkrankung nicht automatisch zur Testierunfähigkeit führt, sondern nur dann, wenn die Erkrankung die Willensentschließung bei Errichtung des Testaments beeinträchtigt hat. Die fachärztlichen Gutachten gingen jedoch davon aus, dass das Testament des Mannes auf einer lange geplanten und in seiner Persönlichkeit wurzelnden Entscheidung beruhte und nicht von der Geschäftsunfähigkeit betroffen war. Auch daraus, dass er unter Betreuung gestanden hatte, konnte nicht darauf geschlossen werden, dass der Mann testierunfähig war. Somit wurde das Testament als wirksam angesehen.

Hinweis: Das Gesetz geht grundsätzlich davon aus, dass der Erblasser testierfähig ist. Die Testierunfähigkeit muss also eindeutig nachgewiesen werden, was in der Praxis – insbesondere nach dem Tod des Erblassers – schwierig sein kann. Dazu können schon zu Lebzeiten entsprechende fachärztliche Gutachten eingeholt werden. Es ist jedoch nicht zulässig, zu Lebzeiten des Erblassers Klage zu erheben, um die Feststellung seiner Testierfähigkeit zu erzwingen.

Quelle: OLG München, Beschl. v. 31.10.2014 – 34 Wx 293/14
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Zuwendung an Lebensgefährtin: Bei einer vor dem Ableben erfolgten Trennung kann der Erbe die Rückzahlung verlangen

Leben Paare in nichtehelichen Lebensgemeinschaften zusammen, ergeben sich nach dem Tod eines Partners häufig erbrechtliche Probleme, da das Gesetz für nichteheliche Lebenspartner im Gegensatz zu verheirateten keine gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsansprüche sowie keine Steuerfreibeträge vorsieht.

Ein Mann veranlasste, dass sein Sparbrief in Höhe von 50.000 EUR aufgeteilt und die Hälfte auf den Namen seiner Lebensgefährtin ausgestellt wurde. Dies geschah, bevor er mit seiner Lebensgefährtin zu einer mehrmonatigen gemeinsamen Europareise aufbrach, um die Partnerin im Fall eines Unglücks abzusichern. Das Paar trennte sich jedoch nach der Rückkehr von der Reise, und der Mann verstarb kurz darauf. Der Erbe verlangte nun von der ehemaligen Lebensgefährtin die Herausgabe des Sparbriefs.

Das Gericht musste entscheiden, ob die Ausstellung des Sparbriefs auf den Namen der Lebensgefährtin eine Schenkung oder eine sogenannte unbenannte Zuwendung darstellte. Bei einer Schenkung darf der Bedachte frei über das Erhaltene verfügen und es in jedem Fall behalten, während eine Zuwendung an die Erwartung des Fortbestehens der Partnerschaft geknüpft ist. Das Gericht ging davon aus, dass hier eine Zuwendung vorlag, da die Übertragung des Sparbriefs der Verwirklichung, Ausgestaltung und Erhaltung der nicht ehelichen Lebensgemeinschaft der Parteien und der finanziellen Absicherung der Frau im Fall des Ablebens des Mannes dienen sollte. Da sich das Paar getrennt hatte und damit die nicht eheliche Lebensgemeinschaft beendet war, war die Grundlage für das weitere Behaltendürfen des Sparbriefguthabens entfallen. Der Erbe hatte daher einen Anspruch auf Rückzahlung.

Hinweis: Sind Partner nicht verheiratet, empfiehlt es sich, rechtzeitig fachlichen Rat einzuholen, um die erbrechtlichen Angelegenheiten zu regeln – aber auch, um Vorsorge für das Scheitern der nichtehelichen Lebensgemeinschaft zu treffen. Für Ehepartner wie nichteheliche Lebenspartner gilt jedoch, dass Schenkungen nur bei schwerer Verfehlung, grobem Undank des Beschenkten oder bei Verarmung des Schenkers zurückgefordert werden können, während Zuwendungen im Fall des Scheiterns der Partnerschaft – auch zu Lebzeiten – zurückgefordert werden können. Dieser Rückzahlungsanspruch verjährt allerdings nach drei Jahren.

Quelle: BGH, Urt. v. 06.05.2014 – X ZR 135/11

Fundstelle: www.bundesgerichtshof.de

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Gemeinschaftliches Testament: Bindungswirkung verfällt bei Vorversterben des Schlusserben

Bei gemeinschaftlichen Testamenten ist der überlebende Ehegatte an die (wechselseitigen) Bestimmungen im Testament gebunden und kann nach dem Tod des Partners nicht mehr frei über sein Vermögen verfügen. Daraus ergeben sich in der Praxis häufig Probleme.

Ein Ehepaar hatte sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben und die gemeinsamen Kinder als Schlusserben eingesetzt. Nach dem Tod der Ehefrau verfasste der Mann jedoch ein neues Testament, in dem er die gemeinsamen Kinder enterbte und seinen Bruder sowie ein Tierheim bedachte. Der Sohn verstarb vor dem Vater, so dass dessen Schwester nach dem Tod des Vaters geltend machte, Alleinerbin zu sein.

Das Gericht wies darauf hin, dass der überlebende Ehegatte nach dem Tod des anderen Ehegatten auch an die Schlusserbeneinsetzung gebunden ist und diese somit nicht eigenmächtig abändern kann. Im vorliegenden Fall war jedoch der Schlusserbe – also der Sohn – bereits verstorben. Das Gericht kam daher zu dem Schluss, dass im Testament für diesen Fall keine Regelung getroffen worden war und auch nicht die Abkömmlinge des Sohns automatisch an dessen Stelle treten. Der Erblasser kann vielmehr über den frei gewordenen hälftigen Erbteil (aber auch nur über diesen) gänzlich neu verfügen und somit die Tochter hinsichtlich dieses Erbteils enterben. Bezüglich des anderen Erbteils ist er jedoch an die Bestimmungen aus dem gemeinschaftlichen Testament gebunden, so dass die Tochter ein Anrecht auf diesen Teil hat.

Hinweis: Für den Fall, dass der eigentlich vorgesehene Erbe verstirbt oder das Erbe ausschlägt, empfiehlt es sich, in gemeinschaftlichen Testamenten auch Regelungen zu Ersatzerben aufzunehmen. Andernfalls gilt die gesetzliche Erbfolge, was unter Umständen nicht dem Willen der Erblasser entspricht. Im (seltenen) Fall, dass alle Schlusserben ausfallen, ist der überlebende Ehegatte jedoch von der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments befreit und kann wirksam ein neues Testament errichten.

Quelle: KG Berlin, Beschl. v. 19.12.2014 – 6 W 155/14

Fundstelle: www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de

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Reaktion auf Abmahnung: Eine gutgläubige Bitte um Fristverlängerung kann teuer werden

Wird Ihnen eine Frist gesetzt, können Sie zwar um eine Verlängerung bitten, doch die Gegenpartei
muss sich nur in den seltensten Fällen darauf einlassen.

Ein Unternehmen erhielt von einem Wettbewerber eine Abmahnung wegen irreführender Werbeangaben. In der Abmahnung wurde es aufgefordert, die Werbung bis zu einem bestimmten Termin zu unterlassen. Das Unternehmen bat dann aber innerhalb der gesetzten Frist um eine Fristverlängerung. Ein Fehler: Denn statt diese zu gewähren, reichte der Wettbewerber eine Klage auf Unterlassung ein. Nach Zustellung der Klage erkannte das Unternehmen die Ansprüche an. Da durch die Bitte um Fristverlängerung automatisch auch kein sofortiges Anerkenntnis vorlag und das Unternehmen Anlass zur Klage gegeben hatte, musste es die Kosten für das Verfahren tragen. Denn: Auf eine Fristverlängerung muss sich ein Gläubiger nur einlassen, wenn dafür auch plausible Gründe mitgeteilt werden. Es wäre für das Unternehmen also besser gewesen, hätte es innerhalb der angegebenen Frist eine sogenannte strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.

Hinweis: Bei Geldschulden gilt etwas ganz Ähnliches. Der Beginn des Verzugs mit einer Geldschuld ist immer wieder Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten. Denn durch diesen Verzug muss der Schuldner Zinsen zahlen und ist verpflichtet, etwaige Prozesskosten zu ersetzen. Deshalb sollten Geldschulden möglichst vor Beginn des Verzugs gezahlt werden.

Quelle: OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 10.11.2016 – 6 W 101/16
Fundstelle: www.lareda.hessenrecht.hessen.de
zum Thema: Sonstiges


Lkw-Leasing: Verleiher haften für ausstehende Mautgebühren insolventer Speditionen

Die wenigsten Verleiher und Vermieter von Lkws denken daran, dass sie für die Mautgebühren
haften.

Einige Leasinggesellschaften hatten ihre Lkws anderen Speditionsunternehmen zur Verfügung gestellt; die Leasinggesellschaften blieben dabei Eigentümer der Fahrzeuge. Nachdem die Speditionsunternehmen insolvent gegangen waren und offene Mautforderungen bestanden, nahm das Bundesamt für Güterverkehr die Leasinggesellschaften für diese Mautforderungen in Anspruch. Gegen die entsprechenden Bescheide klagten die Leasinggesellschaften dabei erfolglos. Denn im Lkw-Mautgesetz ist der jeweilige Eigentümer des Lkw als potentieller Mautschuldner festgelegt. Dabei handelt es sich um eine bewusste Entscheidung des Bundesgesetzgebers. Die Entscheidung der Behörde war auch verhältnismäßig, da zunächst erfolglos versucht worden war, auf die insolventen Speditionsunternehmen zurückzugreifen, bevor die Leasinggesellschaften die Haftung übernehmen mussten.

Hinweis: Dieses Urteil sollten Vermieter und Verleiher von Lkws unbedingt beachten.

Quelle:
VG Köln, Urt. v. 04.10.2016 – 14 K 5253/14
VG Köln, Urt. v. 04.10.2016 – 14 K 7119/14
VG Köln, Urt. v. 04.10.2016 – 14 K 976/15
VG Köln, Urt. v. 04.10.2016 – 14 K 1019/15

Fundstelle: zum Thema:
www.justiz.nrw.de Sonstiges


Rumänische Scheingesellschaft: Unterschlagene Arbeitnehmerbeiträge können noch Jahre später eingefordert werden

Ehrlich währt am längsten – das zeigt auch dieser Fall, in dem eine Scheingesellschaft gegründet wurde, um Sozialversicherungsbeiträge zu hinterziehen.

Ein Gartenbauunternehmen benötigte neue Arbeitskräfte. Die Gesellschafter kamen auf die Idee, drei rumänische Staatsangehörige zu beschäftigen. Dazu wurde folgendes Konstrukt entwickelt: Die Rumänen gründeten eine OHG unter der gleichen Anschrift wie das Gartenbauunternehmen und wohnten auf dem Grundstück. Eigene Geschäfts- oder Büroräume hatte die OHG nicht. Die Stunden wurden gegenüber dem Gartenbauunternehmen abgerechnet. Sozialversicherungsbeiträge wurden für die Rumänen nicht abgeführt. Als die Sache ans Tageslicht kam, verhängte zunächst das Amtsgericht einen Strafbefehl wegen des Vorenthaltens und der Veruntreuung von Arbeitsentgelt über knapp 20.000 EUR. Dann kam die Deutsche Rentenversicherung und verlangte außerdem noch Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 46.000 EUR. Gegen den entsprechenden Bescheid klagte das Gartenbauunternehmen erfolglos.

Das Sozialgericht sagte deutlich, dass ein Arbeitgeber noch Jahre später auf Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Anspruch genommen werden kann, wenn – wie hier – eine Gesellschaft nur deshalb gegründet wird, um die Beschäftigungsverhältnisse zu verschleiern. Die Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen waren nichtige Scheinverträge. Die Arbeitnehmer wussten nicht einmal, was eine OHG ist.

Hinweis: Um Arbeitnehmerbeiträge zu sparen, lassen sich manche Arbeitgeber immer wieder mehr oder weniger kreative Umgehungsmöglichkeiten einfallen. Am Ende zahlen alle drauf, da die Tricks spätestens bei der nächsten Sozialversicherungsprüfung auffallen.

Quelle: SozG Heilbronn, Urt. v. 06.12.2016 – S 11 R 1878/16
Fundstelle: www.sg-heilbronn.de
zum Thema: Sonstiges


Vorgetäuschte Berufsunfähigkeit: Versicherer darf dem Versicherten nach erfolgtem Betrug fristlos kündigen

Wer gegenüber seiner Versicherung die Unwahrheit sagt, begeht womöglich einen Betrug, durch den man den Anspruch auf die Versicherungsleistungen verliert.

Ein Arbeitnehmer hatte nach einer Verletzung Zahlungen von seiner Berufsunfähigkeitsversicherung erhalten. Bei einer Überprüfung durch die Versicherung saß der Arbeitnehmer auch tatsächlich in einem Rollstuhl. Nach weiteren Recherchen fand die Versicherung jedoch heraus, dass der Arbeitnehmer ein erfolgreicher Marathonläufer war. Einem Detektivbüro bot der Arbeitnehmer seine Dienstleistungen als Küchenbauer an. Daraufhin kündigte die Berufshaftpflichtversicherung den Vertrag und stellte die Zahlungen ein. Der Arbeitnehmer klagte – erfolglos. Denn die fristlose Kündigung der Versicherung war rechtmäßig. Das Vertrauen in den Arbeitnehmer war so tief erschüttert, dass eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zumutbar war. Selbst eine vorherige Abmahnung war in einem solchen Fall nicht erforderlich. Denn dann hätte jeder Versicherungsnehmer die Möglichkeit, seine Versicherung einmalig ganz ohne Konsequenzen betrügen zu können.

Hinweis: Bei Falschaussagen gegenüber der eigenen Versicherung sollten Versicherte vorsichtig sein. Sonst kann es ihnen schnell so gehen wie dem Arbeitnehmer dieses Falls.

Quelle: OLG Oldenburg, Urt. v. 28.11.2016 – 5 U 78/16
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Dienste höherer Art: Therapeut muss vorzeitigen Abbruch der Maßnahme anstandslos akzeptieren

Wir schließen jeden Tag eine Vielzahl von Verträgen ab: beim Bäcker, im Supermarkt oder an der Tankstelle. Daneben gibt es natürlich aber auch langfristigere Verträge, und die zeichnen sich meist auch dadurch aus, dass wir sie unter Umständen nach einer gewissen Zeit gerne kündigen möchten. Eine interessante neue Möglichkeit, solche Verträge zu beenden, zeigt der Bundesgerichtshof (BGH) auf.

Ein Mann führte als Therapeut Therapien zur Gewichtsreduktion durch – unter anderem durch eine Ernährungsumstellung verbunden mit einer Beratung sowie einer Spritze aus homöopathischen Mitteln. Eine der Teilnehmerinnen klagte bereits einen Tag nach Behandlungsbeginn über erhebliche Beschwerden und wollte die Therapie deshalb abbrechen. Zehn Tage später reichte sie ein Attest ihres Hausarztes ein, laut dem ihr aus medizinischen Gründen eine wesentliche Gewichtsreduktion durch ein spezielles Diätverfahren nicht angeraten wurde. Sie legte dieses Attest dem Therapeuten mit dem handschriftlichen Vermerk vor: „Bitte um Aufhebung. Attest anbei.“ Der Therapeut war jedoch der Auffassung, eine Vertragskündigung sei nicht ausgesprochen worden und sei rechtlich auch nicht möglich. Er verlangte die Vergütung der gesamten, vertraglich vereinbarten 1.290 EUR für die weiteren 28 Therapietage.

Das erstinstanzliche Amtsgericht verurteilte die Patientin lediglich zur Zahlung von 598 EUR und wies die Klage im Übrigen ab. Und auch vor dem BGH hatte der Therapeut keinen weiteren Erfolg. Es lagen sowohl eine Kündigungserklärung als auch die Voraussetzungen für eine Kündigung nach § 627 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vor. Daher reichte es aus, dass die Patientin ihren Willen zum Ausdruck gebracht hat, nicht mehr therapiert werden zu wollen. Denn nach § 627 Abs. 1 BGB ist bei einem Dienstverhältnis, das kein Arbeitsverhältnis ist, die Kündigung auch ohne die in § 626 BGB bezeichnete Voraussetzung eines wichtigen Grundes zulässig, wenn der zur Dienstleistung Verpflichtete „Dienste höherer Art“ zu leisten hat. Dienste höherer Art können solche sein, die besondere Fachkenntnis, Kunstfertigkeit oder wissenschaftliche Bildung voraussetzen oder die den persönlichen Lebensbereich betreffen. Genau das traf hier zu. Verträge über eine Therapie zur Gewichtsabnahme können also fristlos kündbar sein.

Hinweis: Die Kündigung war rechtmäßig und der Betreiber konnte keine weitere Vergütung verlangen. Das sollten Anbieter solcher „Dienste höherer Art“ und auch deren Kunden beachten.

Quelle: BGH, Urt. v. 10.11.2016 – III ZR 193/16
Fundstelle: www.bundesgerichtshof.de
zum Thema: Sonstiges


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